Sonntagabend. 20:15 Uhr. Fernsehzeit. Tatortzeit. Auf dem Programm „Hundstage“ mit Kommissar Peter Faber und Kommissarin Martina Bönisch.
Spätestens seit letztem Sonntag wissen die Zuschauer: Wenn man ein Trauma nicht aufarbeitet, hat das weitreichende Konsequenzen…nicht nur für sich selber, sondern auch für das gesamte Umfeld.
In diesem Tatort wird ein Problem aufgezeigt, dass leider sehr vielen Menschen widerfährt.
Was passiert mit einem Menschen, wenn er ein Trauma, eine seelische Verletzung, verdrängt und einkapselt, weil er sonst nicht überleben kann?
Der Tatort Kommissar Peter Faber ist ein Kotzbrocken. Zumindest auf den ersten Blick. Er tut alles, um die Menschen in seinem Umfeld vor den Kopf zu stossen. Er provoziert, wo er nur kann und verfügt über ein zerstörerisches Aggressionspotential. Und er besitzt die Fähigkeit, sich in die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele einzufühlen. Weil er sich dort bestens auskennt.
Doch das, was Peter Faber erlebt und in der Rolle des Tatortkommissar schauspielerisch brillant verkörpert, passiert leider ganz vielen Menschen. Wir alle haben ein Trauma. Eine Verletzung der Seele.
Für ein Trauma gibt es keine Mindestgrösse, auch wenn das fälschlicherweise oft angenommen wird. Nicht jedes Trauma wirft uns aus der Bahn. Es gibt solche, die wir problemlos überstehen. Und dann gibt es solche, die das ganze Leben auf den Kopf stellen und nichts mehr so ist, wie es war.
Ein Trauma wird in unser Gedächtnis eingebrannt und gräbt sich ein – wie die Daten auf der Festplatte eines Computers. Wir können eine Datei zwar in den Papierkorb werfen und löschen, faktisch ist sie aber immer noch auf der Festplatte gespeichert. So in etwa funktioniert das mit der seelischen Überlebensstrategie des Verdrängens.
Die Sache hat aber einen Haken…Das Problem ist immer noch vorhanden, egal wie viele Jahre seit dem auslösenden Ereignis vergangen sind.
Beim Verdrängen resp. Einkapseln spaltet man den Schmerz und die damit verbundenen Erinnerungen ab. Dieser Mechanismus ist für das Überleben von immenser Wichtigkeit. Auf den ersten Blick scheint das Problem vom Tisch zu sein. Auf Dauer erweist sich dieser seelische Schutzmechanismus leider als wenig hilfreich. Wie man bei Peter Faber wunderbar beobachten konnte, ist dieser Mechanismus langfristig betrachtet sogar richtig problematisch, sogar hindernd.
Nein, die verletzte Seele lässt sich nicht so einfach überlisten…Ein Trauma ist wie eine tickende Zeitbombe – irgendwann explodiert sie, wenn sie nicht rechtzeitig entschärft wird.
Es besteht sogar die Gefahr, dass dieser Mechanismus eine Aufarbeitung regelrecht verhindert. Und die Betroffenen leiden eines Tages seelische Höllenqualen.
So wie Peter Faber.
Oder meine Mutter.
Ich bin Einzel-, Paar- und Familienberaterin. Wenn es um Traumatherapie geht, muss ich auf entsprechende Fachliteratur und Fachpersonen verweisen.
Sowohl aus beruflicher, als auch persönlicher Erfahrung, weiss ich jedoch, dass für die Auflösung eines Traumas Gesprächstherapie nicht der geeignete Weg ist. Die meisten Traumapatienten können mit dem Verstand ihr Problem erfassen und einordnen.
Aber ob das die Gefühle eines Menschen zu verändern mag? Ich sage: „Nein.“
Das, worüber wir sprechen können, ist die sogenannte Spitze des Eisbergs. Reden tut zwar gut, geht aber zu wenig in die Tiefe. 90% des Geschehenen liegen im Verborgenen, sind mit blossem Auge, sprich mit dem Verstand, nicht sichtbar. Deshalb ist es auch so schwierig, durch reine Gesprächstherapie etwas zu verändern.
Leider haben viele Menschen Angst, nochmals dorthin zurückzukehren, wo alles seinen Anfang nahm. Wir haben gelernt, dass seelischer Schmerz etwas Schlechtes ist, etwas, dass man nicht haben will. Doch ohne Traurigkeit gibt es keine Freude und ohne den Schmerz, weiss man nicht, wie sich ein Leben ohne Schmerzen anfühlt.
Nur so ist es möglich, das Hier und Jetzt anders, und im optimalen Fall sogar besser zu erleben.
Ein weiteres Problem: die Leistungsgesellschaft von Heute. Viele haben nicht den Mut, sich einzugestehen, dass sie mit einem seelischen Problem nicht alleine fertig werden. Sie haben Angst, als Versager oder gar als psychisch krank abgestempelt zu werden. Man will um keinen Preis von der Norm abweichen.
Das darf nicht sein! Ich hoffe aus tiefstem Herzen, dass ganz viele betroffene Menschen diesen Beitrag lesen und den Mut und die Kraft finden, sich ihrem psychischen Schmerz zu stellen. Sei es alleine oder mit Hilfe einer Fachperson. Dafür ist es nie zu spät. Und besser spät, als nie!
Den seelischen Schmerz zu verdrängen, einzukapseln oder einzusperren ist keine langfristige Lösung. Löschen erst recht nicht. Das dürft ihr mir glauben…Den seelischen Schmerz anzunehmen, hilft. Ihr werdet weinen und verzweifelt sein, das ja. Doch der Schmerz gehört nun mal zum Leben und ihn zuzulassen ist ein Anfang.
Im schlimmsten Fall läuft man bei steter Verdrängung Gefahr, bis an sein Lebensende zu leiden. Jahr für Jahr, Tag für Tag. Bis man keine Kraft mehr hat, um zu kämpfen.
Die tickende Zeitbombe…der schlafende Vulkan…Risse in der Seele.
So wie meine Mutter.
Hallo Franziska,
beim Thema „Trauma“ scheiden sich ja die Geister. Die einen meinen, so etwas gäbe es nicht und wenn, dann nur im großen Stil. Die anderen meinen, uns passieren täglich Traumas. Die Wahrheit liegt – glaube ich – in der Mitte. Egal wie groß oder klein, all das liegt im Auge des Betrachters und ist somit subjektiv. Dementsprechend sollte der Umgang damit sein. Ich, ausgebildete Mediation und psy. Beraterin, traue mich nicht an das Thema, zumal es mein Arbeitsgebiet überschreitet. Leider sehen das nicht alle Arbeitswilligen auf dem Gebiet der Psychologie so und überschreiten ihre Grenzen. Das kann gefährlich werden für den schlafenden Vulkan.
Mit sonnigen Grüßen
Jana
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Super Kommentar zum aktuellen Tatort. An sich arbeiten bedeutet ja auch gewohnte Wege zu verlassen. Und das macht wiederum auch Angst.
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