Vorwärts oder lachend im Regen tanzen

Seit dem Tod meines Vaters sind nun gut zwei Wochen vergangen. Die Beerdigung organisiert und vorbei. Der Sarg gesenkt und mit Erde bedeckt. Asche zu Asche, Staub zu Staub.

Ein heftiger und sehr emotionaler Augenblick und die Erkenntnis, dass nichts für immer währt. Das Erkennen und auch das Akzeptieren der Endgültigkeit verändert die Perspektive aufs Leben. Rückt sie in ein anderes Licht.

Wenn ein Elternteil stirbt, stirbt unweigerlich auch ein Stück Vergangenheit.

Vorwärts

Ich telefoniere mit Ämtern und zuständigen Stellen. Nach dem Tod eines Angehörigen gibt es unheimlich viel zu erledigen. Einerseits ist das gut, denn es lenkt mich ab, andererseits möchte man in Ruhe trauern und kommt vor lauter Arbeit gar nicht dazu.

Es muss weitergehen, vorwärts, vorwärts. Und das tut es auch.

Und da ist auch noch meine Mutter, der es immer schlechter geht. Heute wurde sie erneut in die psychiatrische Universitätsklinik eingewiesen. Keine Ahnung, wie’s weitergeht. Aber auch dafür werde ich einen Weg finden. Finden müssen. Für meine Mutter, damit ihr ein Minimum an Würde erhalten bleibt. Das ist das Mindeste, was ich tun kann. Tun will.

Ich versorge die Kinder, wasche, putze, koche, arbeite. Das Übliche halt.

Mit dem Bloggen habe ich in dieser Phase meines Lebens etwas Mühe, denn ich möchte eigentlich übers Leben schreiben und nicht über den Tod. Und doch…der Tod gehört zum Leben dazu. Das eine ist mit dem anderen unmittelbar verbunden. Irgendwann. Für jeden von uns.

Ein neuer Begleiter

Aber etwas ist anders. Und obwohl es mir gut geht, habe ich im Moment jemanden, der mich ständig begleitet. Es ist die Trauer. Ein Gefühl, welches ich in seiner Intensität bisher nicht gekannt habe.

Rainer Maria Rilke beschreibt diesen Zustand ganz wunderbar: „Es weht der Wind ein Blatt vom Baum, von vielen Blättern eines, dies eine Blatt, man merkt es kaum, denn eines ist ja keines. Doch dieses Blatt allein, war Teil von unserem Leben, drum wird dies Blatt allein, uns immer wieder fehlen.“

Seit dem Tod meines Vaters am 9. Mai hat sie sich zu mir gelegt. Nicht immer zeigt sie sich gleich. Doch sie erinnert mich immer wieder daran, was passiert ist. Klopft auf meine Schulter, lässt mich nicht zur Ruhe kommen. Auf eine eigenartige Art und Weise spendet sie Trost. Sie legt ihren Arm um mich und lässt mich daran denken, was wirklich zählt und Bedeutung hat. Dinge, die manchmal in der Flüchtigkeit des Alltags zu kurz kommen.

Wärme, Liebe, Familie, Geborgenheit, Zusammenhalt, Freundschaft, Anteilnahme.

Trauer hat viele Facetten – sogar eine, die dazu führt, dass man, ganz in Gedanken versunken, in unfreiwillig komische Situationen gerät.

Vorgestern war ich einkaufen. Unter anderem standen selbst gemachte Burger auf dem Menuplan. Ich kaufe also ein. Tomaten, Eisbergsalat, Gurken, Fleisch und Burgerbrötchen. Gestern stellte ich dann fest, dass die Gurke wie vom Erdboden verschluckt, verschwunden war. Und Burger ohne Gurke ist wie Strand ohne Wasser, sprich unvorstellbar. Ich schnapp‘ mir meine Handtasche und mach mich auf den Weg. An der Kasse lege ich die neu erstandene Gurke aufs Laufband, die Brieftasche schon in der Hand. Die Verkäuferin scannt den Preis und fragt mich: „Und was ist mit der Gurke, die sich in ihrer Handtasche befindet?“ Ich schaue sie erstaunt an. Sie starrt auf die Gurke, welche aus meiner Handtasche hervorguckt. Ich: „Äääähhhh, tja, das ist so, die habe ich gestern gekauft. Das Herz sackt mir in die Hose und ich spüre die Blicke der Leute auf mir. Schon sehe ich mich als Gurkendiebin in Handschellen abgeführt.

Soweit ist es natürlich gekommen. Wäre ja auch lachhaft, jemanden wegen einer geklauten Gurke zu verhaften. Gott sei Dank bewahre ich die Kassenzettel immer im Portemonnaie auf (bis es fast aus allen Nähten platzt), so dass sich die ganze Sache rasch in Wohlgefallen aufgelöst hat.

Das Leben geht weiter. Und es ist wundervoll, wenn man in stürmischen Zeiten lachen kann. Oder schmunzeln muss. Auch über sich selbst.

Ich will nicht warten, bis der Sturm und die Trauer vorüberziehen. Sondern ich will lernen, mit einem Lächeln auf den Lippen im Regen zu tanzen.

 

 

 

 

 

Verfasst von

Ich stehe mitten im Leben und schreibe darüber. Über das Leben mit all seinen Facetten. Mal bunt, mal düster, mal witzig, mal ernst. So, wie das Leben eben ist. Immer in Bewegung. Sowohl privat (Mutter von drei Kindern 9, 10 & 12 Jahre alt) als auch beruflich interessiere ich mich für Psychologie - ich bin diplomierte Einzel-, Paar- und Familienberaterin. Schreiben ist nicht einfach ein Hobby - es ist Leidenschaft.

2 Kommentare zu „Vorwärts oder lachend im Regen tanzen

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