Vergessene Kinder

Ein Ehepaar liegt im Bett. Die Frau steht auf. Der Blick des Mannes ist starr an die Decke gerichtet. Er liegt da. Bewegungslos? Schlaf ist gut. Wenn er schläft, ist er weg. Ganz weit weg.

Ein Kind putzt sich die Zähne. Neben dem Kind steht ein Mann, schaut in den Spiegel, sein Blick ist starr. Sein Gesichtsausdruck traurig. Teilnahmslos?

Auf dem Weg zur Arbeit. Der Mann sitzt auf einer Bank. Sein Blick ist leer, Blick ins Nirgendwo. Er funktioniert wie eine Maschine, seine Gefühle sind tot.

Ein Junge sitzt am Boden und spielt. Der Mann sitzt auf dem Sofa, in seinen Augen der innere Schmerz. Ein Mädchen kommt und küsst ihn auf die Wange. Er kann nichts zurück geben.

Der Mann ist ihr Vater.

Er sagt: „Ich weiss, dass ich geliebt werde. Aber kann es nicht spüren. Ich bin nicht mehr ich. Ich bin leer.“

Dies sind Szenen aus dem neuen „ProInfirmis“ Video „Ich bin leer“. Dieses Video will zeigen, dass Depressionen von aussen nicht zu erkennen sind und fordert die Menschen auf, näher zu kommen.

Depressionen sind schlimm. Für den Betroffenen selbst, aber auch für die ganze Familie. Und im Speziellen für die Kinder!

Um meine Ausbildung zur Einzel,- Paar- und Familienberaterin abzuschliessen, schreibe ich zur Zeit an meiner Diplomarbeit. Ich widme diese Arbeit den Kindern, die in einem solchen Familiensystem aufgewachsen sind.

Hier ein kleiner Ausschnitt zum besseren Verständnis:

„Wenn in einer Familie ein oder sogar beide Elternteile psychisch krank sind, hat dies einen grossen Einfluss auf das Familiensystem. In einem solch dysfunktionalen Familiensystem leidet nicht nur der erkrankte Elternteil. Auch Partner sind betroffen und insbesondere Kinder leiden unter der starken Belastung.
Erkrankt ein Elternteil an einer psychischen Krankheit bedeutet dies für die Familie drastische Veränderungen im Alltag. Kinder, die in einem solchen System gross werden, werden oft auch als „vergessene Kinder“ bezeichnet (Studie «Vergessene Kinder» der Psychiatrieregion Winterthur). Sie sind in jedem Fall immer auch Betroffene.

Durch die psychische Krankheit verändert sich für ein Kind sehr vieles. Es ist einer enormen Belastung ausgesetzt, übernimmt es doch häufig plötzlich eine Rolle, die so nicht für ein Kind gedacht ist, nämlich die eines Erwachsenen. Ein Kind, welches aus einem solchen Familiensystem stammt, ist plötzlich für seine Geschwister und den erkrankten Elternteil verantwortlich.

Hinzu kommen die Schuldgefühle und sehr oft mangelnde oder gar fehlende Kenntnis über die psychische Erkrankung. Wenn ein Elternteil psychisch krank ist/wird, bedeutet dies ganz häufig das Ende der sozialen Kontakte, was wiederum zu einer Isolation führen kann. Diese Kinder fühlen sich traurig, einsam und unverstanden. Niemand ist da, der mit ihnen redet, der ihnen erklärt, warum Mama oder Papa plötzlich so anders sind.

Leider liegt auch heute der Fokus in der Erwachsenenpsychiatrie immer noch auf den Patienten und beinhaltet für gewöhnlich nur die Arbeit mit erwachsenen Angehörigen. Die gesunden Kinder werden leider oft nicht in den therapeutischen Prozess miteinbezogen oder nur dann, wenn sie sich auffällig verhalten oder selber krank werden (Fritz+Fränzi, Nr. 4 Mai 2012).“

Und das darf nicht sein!

Darum ist es von immenser Wichtigkeit, bei einer solchen Familie genau hin- und auf keinen Fall wegzuschauen! Nur so kann kann gezielt und ganzheitlich geholfen werden.

Psychisch_krank_Kinder

Verfasst von

Ich stehe mitten im Leben und schreibe darüber. Über das Leben mit all seinen Facetten. Mal bunt, mal düster, mal witzig, mal ernst. So, wie das Leben eben ist. Immer in Bewegung. Sowohl privat (Mutter von drei Kindern 9, 10 & 12 Jahre alt) als auch beruflich interessiere ich mich für Psychologie - ich bin diplomierte Einzel-, Paar- und Familienberaterin. Schreiben ist nicht einfach ein Hobby - es ist Leidenschaft.

5 Kommentare zu „Vergessene Kinder

  1. Danke vielmals! Ja, es ist sehr wichtig, dass sich jemand damit beschäftigt. Ich tue es, weil ehemals betroffen und heute Fachperson.

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  2. Ist es da nicht schwer, zu unterscheiden und „den Abstand“ zu bewahren? Das wird mir nämlich immer gesagt, wenn ich erzähle, dass ich Psychologin werden möchte

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  3. Doch, das war anfänglich schon so. Jedoch musste ich in Laufe meiner Ausbildung selbst viele Stunden in die Lehrtherapie. Ich habe das Thema für mich aufgearbeitet und somit die nötige Distanz gefunden. Sonst könnte ich meinen Beruf nicht mit gutem Gewissen ausüben. Emphatisch zu sein und doch „professionell distanziert“, das ist für mich jeden Tag eine neue Herausforderung.

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  4. Genau wie bei dem Thema Depressionen in der Familie, gilt das gleiche für Kinder, wenn jemand aus der Familie stirbt oder z.B. ein Geschwister schwer krank ist u.ä.
    Bei Depressionen fallen mir noch dazu sehr starke Stimmungsschwankungen ein, wenigstens zu Beginn. Später resigniert man nur noch, bis die Gedanken an die Selbsttötung kommen. Und hier unterscheiden sich Mann und Frau: der Mann begeht sehr oft einen erweiterten Suizid, die Frau stirbt in den allermeisten Fällen allein.
    GLG von der ♥ Pauline ❤

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