Ich weiss nicht, wann ich zum letzten Mal so richtig neidisch auf jemanden war. Geschweige denn auf wen oder warum.
Mit „so richtig“ meine ich die bösartige Form des Neids, mit allem was dazugehört. Missgunst. Gehässigkeit. Eifersucht. Denn Neid ist nicht gleich Neid.
Auch ich beneide Menschen. Beispielsweise dann, wenn ich mir Bilder von jemandem am Strand unter Palmen anschaue, währenddessen ich mir im kalten Zürich den Allerwertesten abfriere. Solche Bilder lösen dann Sehnsucht nach der Ferne aus. Sehnsucht nach Sonne und Wärme. All dies geschieht jedoch, ohne es dem Anderen zu missgönnen.
Vermutlich liegt das an meinem Alter. Studien belegen nämlich, dass Menschen jenseits der Dreissig weniger neidisch sind als Jüngere. Junge Menschen neiden anderen zum Beispiel das gute Aussehen, Erfolge in der Liebe, die Beliebtheit oder gute Leistungen in der Ausbildung.
Woran das wohl liegen mag? In der Regel hat man jenseits der 30 stabile Freundschaften und Beziehungen. Somit entfällt der Wettstreit um Positionen oder um das Beliebtsein.
Dafür tut sich die ältere Generation schwerer damit, wenn jemand mehr verdient oder bei der Arbeit erfolgreicher ist.
Neid ist meistens mit Missgunst und Eifersucht verbunden. Man will sein Gegenüber runtermachen. Darum zählt Neid auch zu den sieben Todsünden. Wenn man solche Gefühle hegt, ist dies ein untrügliches Zeichen, dass man unzufrieden ist – mit sich und dem eigenen Leben.
Berühmte und erfolgreiche Menschen werden oft beneidet. Doch wenn man sich hinterfragt, was sie alles für ihren Erfolg tun müssen – wie viele Neider wären dann tatsächlich bereit, denselben Einsatz zu leisten?
Dabei kann man dem Neid durchaus auch etwas Positives abgewinnen. Dies ist, wie so oft, eine Frage der Perspektive. Aber auch unter Berücksichtigung eines Perspektivenwechsels ist Neid kein Gefühl, das uns fröhlicher oder glücklicher werden lässt. Aber es kann ungemein motivieren.
Neid kann ein Antrieb sein, Dinge zu verbessern – ein Ansporn, um aus seinem Leben mehr zu machen. Übrigens weit mehr, als dies die Bewunderung für eine Person vermag.
Sich mit anderen zu vergleichen ist per se nichts Schlechtes. Wichtig ist, dass man sich dabei nicht abwertet und der aufkeimenden Missgunst frühzeitig einen Riebel vorschiebt.
Ich habe eine gute Freundin, die sich jeden Tag aufschreibt, was sie Positives oder Schönes erlebt hat und wofür sie dankbar ist. Ich bewundere das, und ich habe mir schon mehrfach vorgenommen, das auch für mich anzuwenden.
Doch solche Unterfangen scheitern oft an der Umsetzung. Tja. Und ja, dafür beneide ich meine Freundin. Denn ich bin überzeugt, dass diese Art der bewussten Dankbarkeit stark zum inneren Frieden eines Menschen beitragen kann.
Textquelle: PSYCHOLOGIE HEUTE, März 2016, Immer dieser Neid, Seite 8
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