Ersatzkind: auf den Hund gekommen

Seit einiger Zeit beobachte ich vermehrt, dass sich Leute aus meinem Bekanntenkreis einen vierbeinigen Freund zulegen – genauer gesagt einen Hund. In der Regel sind es Frauen. Meistens Mütter, Mitte bis Ende Vierzig, deren Kinder in der Pubertät stecken.

Dieses Phänomen ist nicht neu, jedoch glaubte ich bislang, dass das vierbeinige Ersatzkind erst nach dem Auszug der Kinder angeschafft wird.

Die Kinder werden grösser und selbständiger und aus eigener Erfahrung kann ich verstehen, warum Frauen diesen Schritt als mögliche Lösung in Betracht ziehen. Die Zeit der Adoleszenz ist für viele Eltern nicht einfach. Vorbei sind die Zeiten, in denen man sich zeitintensiv um das Kind kümmern musste. Auch die Momente des Kuschelns sind mit dem Eintritt in die Pubertät rarer geworden. Ein grosser und wichtiger Teil der Erziehungsarbeit wurde bereits geleistet.

Diese Entwicklung ist gesund und wichtig. Die Kinder machen sich auf den Weg zum Erwachsensein und viele Eltern wissen nicht mehr, was sie mit sich selbst oder als Paar anfangen sollen. Einige verfallen sogar in eine Depression (Leeres-Nest-Syndrom).

Tatsache ist: Wenn die Kinder sich in die eigenen vier Wände verabschieden, bedeutet das in jedem Fall loslassen, und für viele Eltern ist damit ein tiefer seelischer Schmerz verbunden.

Ein Hund als Ersatzlösung

Die Kinder werden flügge und man schafft sich einen Hund an. Der Hund wird ein Teil der Familie. Es gibt dafür sogar eine Redensart: „Das letzte Kind hat Fell.“

Aber taugt ein Hund als Kinder- respektive Sinnersatz im Leben?

Vor gut einem halben Jahr wollte ich bereits über dieses Thema schreiben, hab’s dann aber gelassen. Ich hatte Null Verständnis für dieses Phänomen. Ich bin froh, dass ich mich so entschieden habe, denn der Beitrag wäre nicht besonders verständnisvoll ausgefallen.

Heute hat sich mein Blickwinkel verändert. Ich muss zwar immer noch schmunzeln, wenn Bekannte von mir unverhofft mit einem süssen Welpen daherkommen. Aber ich kann es trotzdem irgendwie verstehen…

Lieber treuer Freund

Du hast vier Pfoten und ein gutes Herz. Wenn du auf mich zuspringst, geht mein Herz auf. Dein Blick ruht auf mir, mit einem schiefgelegten Kopf und aufgestellten Ohren. Du bist mir treu ergeben und wir sind ein gut eingespieltes Team. Ich kann mich auf dich verlassen und du dich auf mich.

Doch dich wird es nicht geben. Heute nicht und auch nicht morgen. Obwohl ich wirklich viel zu geben hätte. Vor allem an Zuneigung.

Eigentlich bin ich kein Hundefan. Wer mich gut kennt, kann das bestätigen. Und trotzdem wollte ich dich. Unbedingt. Eine kurze, aber intensive Zeit lang. Das hat mich selber total überrascht. Und nachdenklich gemacht.

Vermutlich wärst du ein Boxer, denn Boxer gefallen mir optisch ganz besonders gut. Aber deine Rasse spielt eigentlich gar keine Rolle. Denn ich habe erkannt, dass ich die Lücke, die langsam grösser wird, anders füllen muss.

Ein Hund als Kinderersatz kommt für mich bei ernsthafter Betrachtung nicht in Frage. Zumal es ja auch noch ein bisschen dauert, bis meine Kinder ausziehen werden. Also bloss keine Kinder-Auszieh-Torschlusspanik.

Zudem möchte ich vermeiden, dass mir meine beste Freundin eine knallen muss. Denn das haben wir so vereinbart: bevor sich eine von uns jemals einen Hund anschafft, muss sie riskieren, eine Ohrfeige zu kassieren. Nur so zur Sicherheit. Falls einem doch einmal die Gefühle übermannen sollten. Das verstehst du doch, oder?

Vielleicht könntest du die Leere ausfüllen, die ich von Zeit zu Zeit verspüre, wenn ich sehe, wie schnell die Kinder gross und selbständig werden. Du hättest aber auch einen riesigen Nachteil, denn du wirst im Vergleich zu mir nicht besonders lange leben – vorausgesetzt ich bleibe gesund und alles nimmt seinen gewohnten Gang. So ist das leider mit Haustieren. Und was dann? Ein neuer Hund. Nein, das kann für mich nicht die Lösung sein.

Die Phase der Pubertät bis zum Erwaschensein ist nicht nur für die Jugendlichen eine Herausforderung, sondern auch für manche Eltern. Die einen spüren die emotionalen Auswirkungen früher, die anderen vielleicht erst dann, wenn das letzte Kind das elterliche Nest für immer verlässt.

Ich bin gerne gut vorbereitet, und diese Gefühle gehören für mich zum Prozess des Loslassens dazu, auch wenn sie nicht immer angenehm sind.

Und last but not least habe ich auch noch einen Partner. Einen, den ich über alles liebe. Wir haben jetzt als Paar wieder mehr Zeit mit- und füreinander. Für mich ein sehr schöner Nebeneffekt, den ich lange vermisst habe. Es sind wertvolle Momente, die ich nicht mit dir teilen möchte.

Du siehst, lieber imaginärer vierbeiniger Freund, für dich gibt es keinen Platz bei uns. Ich hoffe jedoch sehr, dass du ein Zuhause findest, das sowohl dich, als auch deine neuen Besitzer wahnsinnig glücklich macht.

Deine Franziska

 

 

 

Verfasst von

Ich stehe mitten im Leben und schreibe darüber. Über das Leben mit all seinen Facetten. Mal bunt, mal düster, mal witzig, mal ernst. So, wie das Leben eben ist. Immer in Bewegung. Sowohl privat (Mutter von drei Kindern 9, 10 & 12 Jahre alt) als auch beruflich interessiere ich mich für Psychologie - ich bin diplomierte Einzel-, Paar- und Familienberaterin. Schreiben ist nicht einfach ein Hobby - es ist Leidenschaft.

8 Kommentare zu „Ersatzkind: auf den Hund gekommen

  1. Einerseits kann ich dich verstehen, anderseits auch die Hundefrauchen. Wir überlegen auch schon länger uns einen Hund an zu schaffen. Bei uns hat es aber mehrere Gründe: Ich wollte schon immer einen Hund, hatte als Teenie einen. Als unser erstes Kaninchen vor 6 Jahren eingeschläfert werden mußte, überlegten wir alle ob wir uns einen Hund anschaffen oder nicht. Die Kinder bekamen die Möglichkeit für 2 Kaninchenbabys und haben sich dafür entschieden.
    Aber als Kinder Ersatz würde ich es nicht (für mich), sehen. Man kann sich ja auch wieder vermehrt seinen Hobbys widmen, wenn die Kinder langsam flügge werden.
    LG, Nati

    Gefällt 2 Personen

  2. Wir hatten mal Hunde; die Kinder sind ausgeflogen. Wir wollen keinen Hund mehr, weil man mit ihm wie „angebunden“ ist: Man muss regelmässig mit ihm Gassi gehen. . ..

    Gefällt 2 Personen

  3. Mit einem Tier gross zu werden, lehrt die Kinder auch, was es heisst, Verantwortung für ein Lebewesen zu übernehmen. Persönlich bevorzuge ich Katzen. Aber wer weiss, sag niemals nie. Lg, Franziska

    Like

  4. Selbstverständlich gibt es auch Menschen, die sich einen Hund anschaffen, weil sie Hunde schlicht und einfach lieben. Ich hoffe, du findest den für euch passenden Vierbeiner. Herzlich, Franziska

    Like

  5. So ein Hund bringt aber auch schon bei kleinen Kindern einen enormen Vorteil nicht nur als Kinderersatz, wenn die Kids größer werden. Meine Erfahrung ist, dass es der Familienkommunikation total gut tut einen Hund zu haben, da man sich auf einheitliche Kommandos einigen muss.
    Und ehrlich so ein Hund ist ein prima Begleiter beim Joggen.

    Gefällt 2 Personen

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s