Stellt euch vor, wir wären in der Lage, mit unseren Gedanken den Alterungsprozess zu beeinflussen. Oder bei der Hausarbeit an Gewicht zu verlieren?
Das funktioniert. Das ist die gute Nachricht.
Und die schlechte Nachricht? Es ist November.
Positives Denken beeinflusst unser Sein. Das ist nichts Neues. Doch gerade in diesem Monat, wo das Wetter oft kalt, nass und trüb ist, ist es nicht immer einfach, sich diesen Umstand zunutze zu machen. Vielleicht helfen die folgenden Zeilen, dem grauen November etwas entgegen zu setzen. Sozusagen als Anti-November-Blues.
Wir sind, was wir sind. Viele denken so und leben ihr Leben nach bestem Wissen und Gewissen. Im Laufe eines Lebens haben wir viel gelernt. Was uns ganz besonders prägt, sind Erlebnisse in der Kindheit. Daraus formulieren wir uns unsere Glaubenssätze, die uns sehr oft ein Leben lang begleiten und beeinflussen. Leider ist es so, dass viele unserer Gedanken und Handlungen auf Annahmen beruhen, die uns im Laufe der Zeit beigebracht oder eingeredet wurden. Oft sind es Erkenntnisse, die uns im Leben nicht wirklich weiterhelfen.
Die Macht der Gedanken
Die Macht unserer Gedanken ist nicht zu unterschätzen. Wir sind, was wir denken. Das trifft es schon eher.
Im Jahr 2007 untersuchte Ellen Langer, Professorin für Psychologie an der Harvard Universität, welchen Einfluss das Denken auf das körperliche Befinden hat. Wenn man Zimmermädchen sagt, dass sich ihr Job positiv auf ihre Fitness auswirke, wenn man diesen als tägliches Training betrachtet, dann hat dies erstaunliche Auswirkungen: Innert vier Wochen hat jedes Zimmermädchen, die sich ihren Job gedanklich zum Sport gemacht hat, ein Kilo an Gewicht verloren. Bei den anderen Zimmermädchen, die einfach ihren Job gemacht haben, blieb alles so, wie’s war.
Ich hab das Experiment schon vor längerem auf mich umgemünzt, denn Hausarbeit ist ebenso eine körperliche Tätigkeit. Staubsauger und Co sind meine Fitnessgeräte. Und statt rum zu jammern mache ich nun täglich ziemlich viel Sport. Ich denke mich quasi fit, indem ich meinen Job zum sportlichen Training erkläre.
Umdeuten – Refraiming
Natürlich ist dieses „Umdeuten“, in der Psychologie spricht man auch von „Refraiming“, nicht immer ganz so einfach. Das Refraiming ist eine Technik, welche in der systemischen Familientherapie ihren Ursprung hat. Refraiming ist eine Technik, die es uns Menschen ermöglich, den Blickwinkel zu verändern. Thinking out of the Box.
„Scherben bringen Glück“ oder „was mich nicht umbringt, macht mich stark“ sind zwei Sprichwörter, die das Umdeuten ziemlich gut auf den Punkt bringen.
Experiment 20 Jahre früher
Von Ellen Lange gibt es noch ein weiteres, sehr beeindruckendes, Experiment, welche Kraft in unserem Denken liegt und welchen Einfluss diese auf das gesamte menschliche Wohlbefinden haben: Mehrere alte Herren um die achtzig Jahre wurden in ein Kloster eingeladen. Sie waren schon betreuungs- und pflegebedürftig.
Dort war alles exakt so eingerichtet wie zu jener Zeit als die Testpersonen zwanzig Jahre jünger waren. Alte Bücher und Zeitschriften lagen herum, es liefen Fernsehsendungen von früher und abends wurde über scheinbar zeitgenössische Themen diskutiert. Themen, die vor zwanzig Jahren brandaktuell waren. Sie lebten für eine Woche in einer Umgebung, die alles andere als altersgerecht war. Mahlzeiten wurden nicht zur festgelegten Stunde serviert, nein, sie mussten sogar selbst gekocht werden. Auch der Abwasch gehörte dazu.
Das Wunder
Und was geschah dann? Überforderung? Stress ohne Ende?
Nein, es geschah ein Wunder. So will es mal nennen. Ein Wunder. Die alten Herren waren beweglicher geworden. Im Hör-, Seh- und Intelligenztests schnitten sie besser ab als die Kontrollgruppe. Und das nach einer einzigen Woche.
Ist das Altern tatsächlich bloss eine Frage der Einstellung? Was meint ihr?
Ich denk mich faltenfrei – das gefällt mir. Das Ganze hätte zudem den Vorteil, dass es erst noch sehr viel billiger wäre als Botox und die ganzen Filler.
Im Ernst, die Falten verschwinden damit natürlich nicht, das ist aber auch nicht Sinn und Zweck dieses Experiments. Aber dieses Experiment zeigt deutlich, dass wir auf unsere Lebensqualität sehr Wohl Einfluss nehmen können, und zwar völlig altersunabhängig.
Im November muss sogar ich mich dazu motivieren, dass mich das gefühlt ewige Grau nicht komplett vereinnahmt und nach unten zieht. Somit kann ich diese Art von positiver Gedankenmotivation gerade wunderbar gebrauchen, denn am liebsten würde ich mich an einen kuschligen Ort zurückziehen und Winterschlaf halten, um erst dann wieder aufzuwachen, wenn die ersten warmen Sonnenstrahlen meine Nase kitzeln.
Quelle: ZEITMAGAZIN NR. 22/2016 2. JUNI 2016
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