Unwissenheit: Was ich nicht weiss, macht mich nicht heiss

„Was ich nicht weiss, macht mich nicht heiss“ – diese bekannte Redensart will damit sagen, dass Unwissenheit auch ein Segen sein kann. Aber ist dem wirklich so?

Es gibt Ereignisse, die ein grosser Teil der Menschheit nicht wissen will. Zum Beispiel das eigene Sterbedatum. Oder das Sterbedatum von den Menschen, die wir lieben.

Das zu wissen, würde uns die verbleibende Lebenszeit deutlich erschweren. Je näher der unvermeidbare Tag käme, desto schwerer würde es werden.

Es gibt Menschen mit einem erblich bedingten Risiko für Krankheiten. Die Huntington-Krankheit ist eine davon. Mit einem Gentest können Betroffene herausfinden, ob die Krankheit bei ihnen ausbrechen wird. Mindestens ¾ der betroffenen Personen verzichten jedoch auf den Test. Sie hätten dann zwar Klarheit, aber keine, die tröstet, denn es gibt bislang keine Chance auf Heilung.

Ob Unwissenheit ein Segen ist, wage ich dennoch zu bezweifeln. Denn eigentlich ist es doch so, dass Wissen Macht bedeutet!?

Und doch es gibt Dinge, da ergibt die bewusst gewählte Unwissenheit aus Schutz von den dahinter verborgenen Gefühlen durchaus Sinn. In der Psychologie spricht man dann von „bewusster Ignoranz“. Diesen Begriff hat der Studienautor Ralph Hertwig vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung definiert. Das Wesentliche dabei ist, dass verfügbare Informationen mit voller Absicht nicht abgerufen werden.

Unwissenheit in der Liebe

Viele Paare wählen bei Verdacht auf Untreue des Partners die Taktik des bewussten Ignorierens. Meistens aus Angst vor den negativen Gefühlen und den damit einhergehenden Konsequenzen. Wobei ich hier nicht sicher bin, ob das Verdrängen oder Ignorieren von Fakten in jedem Fall sinnvoll ist. Dazu aber gerne mehr zu einem anderen Zeitpunkt.

Zudem gibt es Paare, die bereits am Anfang ihrer Beziehung festlegen, dass Seitensprünge nicht gebeichtet werden müssen.

Ferien ohne schlechte Nachrichten

In den Ferien vermeide ich das Lesen von Nachrichten aus aller Welt. Ich ignoriere freiwillig, was in der Welt geschieht, weil ich in den Ferien meine Zeit ohne die Schlagzeilen über negative oder traurige Ereignisse in der Welt verbringen möchte. Dies ist eine bewusste Entscheidung, die ich schon in jungen Jahren getroffen habe.

Surprise Surprise

Früher als Kind habe ich manchmal nachgeschaut, was sich in einem Geschenk verbirgt. Mein Vater hat sich dann darüber gewundert, warum die Verwandten die Geschenke so schludrig verpackt haben. Ich wusste zwar ab diesem Moment, was ich geschenkt bekam, habe mir aber gleichzeitig die Spannung und die Vorfreude verdorben. Auch hier scheint Nichtwissen die bessere Wahl.

Es ist nicht so, dass ich grundsätzlich dafür bin, Dinge bewusst zu ignorieren. Und doch sehe ich darin in gewissen Situationen des Lebens Vorteile. Zumindest dann, wenn es dem eigenen Schutz dient. Darum ist es schön ist, dass es sie gibt – die Freiheit, etwas bewusst zu ignorieren.

Wie ist eure werte Meinung zu diesem Thema, liebe Leserinnen und Leser? In welchen Situationen ist es besser, etwas zu ignorieren?

 

Quelle: PSYCHOLOGIE HEUTE, Heft Februar 2017, Der Segen der Unwissenheit

Bildquelle: http://www.pixabay.com

 

 

 

 

 

 

Verfasst von

Ich stehe mitten im Leben und schreibe darüber. Über das Leben mit all seinen Facetten. Mal bunt, mal düster, mal witzig, mal ernst. So, wie das Leben eben ist. Immer in Bewegung. Sowohl privat (Mutter von drei Kindern 9, 10 & 12 Jahre alt) als auch beruflich interessiere ich mich für Psychologie - ich bin diplomierte Einzel-, Paar- und Familienberaterin. Schreiben ist nicht einfach ein Hobby - es ist Leidenschaft.

Ein Kommentar zu „Unwissenheit: Was ich nicht weiss, macht mich nicht heiss

  1. Ein gutes Thema, mit vielen Gedanken…

    „die Freiheit, etwas bewusst zu ignorieren.“
    Ja, da schreibst du einen interessanten Gedanken. Geschenke Vorfreude ist etwas wunderschönes, doch manchmal hätte ich schon gerne vorher gewusst was drinnen war, gerade wenn sich am Ende als peinlich herausstellte beim auspacken vor der gesamten Familie und Freunden 🙂

    Ich finde zum Beispiel wenn ich irgendein Symptom habe, da ist es zwar auf einer Seite beruhigend wenn ich dann weiß was es ist, doch bis dahin bleibe ich doch irgendwie auch gerne unwissend. Dann heißt es für mich, auf keinen Fall das schlaue Inet befragen, da mache ich mich nur verrückt, da hilft dann (und das muss ich immer wieder lernen) abwarten was der Arzt_die Ärztin sagt. Dann kann ich mich noch immer verrückt machen…

    Negative Anzeichen in einer Partnerschaft zu ignorieren, ich weiß nicht ob das eine Gute Wahl ist. Es ist am Ende ja oft dann doch nur ein heraus zögern der Wahrheit und die SchmerzGefühle kommen dann ja doch. Da leidet der Mensch schon während der ignorierten Unwissenheit und dann noch weiter. So Schmerzvoll traurig das dann ist, denke ich ist hier ignorieren für einen selbst keine Gute Entscheidung.

    Doch am Ende spielen da so viele Faktoren hinein. Vielleicht auch der Gedanke, was möchte ich denn Wissen? Da fällt mir auch ein, es gibt da ja auch diese (für mich gefühlte) Ignoranz Glocke in der, so fühlt es sich für mich an, die halbe Welt steckt. Irgendwie passiert das auch unbewusst, oder es ist eine Art der abgestumpfheit. Damit meine ich die Nachrichten und WeltenBotschaften, wir, ich, alle hören zwar was alles passiert, sind FassungslosHilflosMachtlos. Wissen darum und doch ist da das Gefühl, nichts tun zu können und dann läuft der Tag einfach weiter… weil vielleicht irgendwie alles so weit weg ist… und wenn es nah ist, wird es irgendwie auch weggedacht um weiter machen zu können…

    die Macht etwas zu Wissen… scheint am Ende nichts ändern zu können… wollen… aber das ist vielleicht schon wieder ein anderes Thema…

    …mit blauen🐘Grüßen danke ich dir für deinen interessanten Beitrag und wünsche dir einen schönen Tag.

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