Ich stimme mit Frau Dr. Yvonne Maurer zu 100 Prozent überein, wenn sie sagt: „Die Persönlichkeit eines Therapeuten und seine Beziehungsfähigkeit zum Klienten sind ebenso bedeutende, wenn nicht sogar bedeutungsvollere Erfolgsgrössen als die Methode bzw. die Technik an sich“.
Ich freue mich sehr, dass ich vergangen Samstag auf Nathalies Blog einen Gastbeitrag schreiben durfte. Nathalie bietet in Zürich Handanalysen an. Auch ich durfte ihr meine Hände schon zeigen und war sehr erstaunt, was man anhand der Linien, Hügeln und Kurven alles erkennen kann. Das, was Nathalie über mich in meinen Händen las, hat mich nicht überrascht, schliesslich kenne ich mich selber ganz gut. Was mich jedoch wirklich zum Staunen brachte, war die Tatsache, dass es meine Hände waren, die so viel über mich verraten und aussagen. Das fand ich bemerkenswert.
Beim Begriff Handanalyse haben vermutlich viele Menschen das Bild von der Zigeunerin mit der Kristallkugel vor Augen, die, vor einem Zelt sitzend, die Zukunft voraussagen möchte. Auch ich dachte über die Handanalyse so ähnlich, habe mich aber durch Nathalie gerne vom Gegenteil überzeugen lassen.
Diese Bild hat mit der Handanalyse von Heute jedoch nichts gemein. In der Handanalyse geht es um die Persönlichkeit eines Menschen. Die Handanalyse kann dazu dienen, seine Neigungen, Potentiale, Stärken und Schwächen zu erkennen. Und bei Bedarf damit zu arbeiten. Erkenntnis ist nämlich das eine, Handeln etwas anderes, das vielen Menschen oft schwer fällt. Sie hängen dann ein Leben lang in ihren Themen fest, ohne das sich etwas (im besten Fall) zum Besseren verändert.
Auf meinem Blog fand ich vor gut einem Monat folgenden Kommentar einer Leserin:
„Darf ich nach Ihrem beruflichen Hintergrund fragen? Oder woher nehmen Sie die Kompetenz, andere beraten zu wollen? Vielleicht sind Sie ja ein guter Zuhörer oder haben Lebenserfahrung – aber das reicht sicherlich nicht aus, um Einzel,- Paar- und Familienberatungen durchzuführen. Im Gegenteil, ich finde das fast fahrlässig. Ich sage das übrigens als studierte Pädagogin, die seit Jahren im Feld der Familienberatung tätig ist. Nutzen Sie den Blog doch, um Ihre persönliche Sichtweise auf das Leben zu vermitteln. Spielen Sie aber bitte nicht Psychologin – das kann für gefährliches Halbwissen und Fehlinterpretationen sorgen.“
Ich musste dieser Dame zustimmen. Meine Antwort war:
„Zu Ihrer Frage nach meinem beruflichen Hintergrund gebe ich gerne Auskunft. Meine dreijährige Ausbildung zur Einzel-, Paar- und Familienberaterin IKP habe ich am Institut für körperzentrierte Psychotherapie in Zürich absolviert (Gesamtleitung Dr. med. Yvonne Maurer, FMH für Psychiatrie und Psychotherapie). Ich stimme mit Ihnen überein, dass gutes Zuhören und Lebenserfahrung nicht ausreichen, um Menschen in psychosozialen Fragen kompetent zu beraten.“
Ich hatte keine einfache Kindheit. Mein Weg, um mit dem Geschehenen umzugehen, war Verdrängung. Das hat beinahe vierzig Jahre mässig bis recht gut funktioniert. Im Rahmen meiner Ausbildung zur Einzel-, Paar- und Familienberaterin bin ich dann zum ersten Mal mit dem Thema „Therapie“ konfrontiert worden. Zwanzig Stunden Lehrtherapie waren Teil meiner Ausbildung – für mich ein äusserst wichtiger Teil, wenn nicht sogar der Wichtigste überhaupt. Meine Mutter und auch mein Vater sind beide psychisch krank. Meine Mutter war zudem Alkohol- und Tablettenabhängig. Ich muss gestehen – ohne das Aufarbeiten meiner Themen, wäre ich Heute nicht in der Lage, beratend mit Menschen zu arbeiten.
Menschen in schwierigen und belastenden Lebenssituationen zu beraten, bedeutet stets eine grosse Verantwortung. Deshalb ist ein fundierter therapeutischer Hintergrund enorm wichtig. Der Mensch ist ein komplexes Wesen und es ist für den erfolgsversprechenden Therapieverlauf wenig hilfreich, ein Problem oder Anliegen isoliert zu betrachten. Die Sichtweise auf den ganzheitlichen Aspekt hat mich an meiner Ausbildung zur Einzel-, Paar- und Familienberaterin IKP überzeugt.
Es gibt viele Methoden und Techniken, um mit Klienten zu arbeiten und sie auf dem Weg der Lösungssuche zu unterstützen und zu begleiten. Die Themen sind vielfältig und doch immer wieder ähnlich: Kindheitstraumas, Probleme in der Liebe, Konflikte in der Partnerschaft, Schwierigkeiten im Beruf oder im beruflichen Umfeld, ungelöste Konflikte mit den Eltern, unerreichte Träume und Ziele, Wertschätzung und Anerkennung. Das sind nur einige Beispiele.
Noch wichtiger als die Mittel und Techniken mit welchen ein Berater/Therapeut arbeitet, dünkt mich jedoch die Persönlichkeit des Therapeuten/Beraters.
In der körperzentrierten Psychotherapie wird der Mensch ganzheitlich wahrgenommen. Unter Berücksichtigung von sechs verschiedenen Lebensdimensionen wie Körper, Psyche, Soziales, Raum, Zeit und Spiritualität. Jeder einzelne Lebensbereich kann für sich alleine betrachtet werden. Gleichzeitig sind die sechs Lebensbereiche jedoch im Sinne eines multidimensionalen Feedbacksystems miteinander verbunden (Maurer, 2006).
Im Laufe meiner Ausbildung habe ich erkannt, dass es für einen Berater/Therapeuten eine der grössten Herausforderungen ist, diese sechs Lebensdimensionen ganzheitlich wahrzunehmen. Um Menschen beraten zu können, genügt es nicht einfach nur hinzuhören, nein, ich muss auch hinschauen und hinfühlen. Ich kann jedoch nur erkennen und wahrnehmen, wenn mir meine eigenen Themen nicht im Wege stehen und mich hemmen oder gar blockieren. Die Lehrtherapie war daher für meine Entwicklung von immenser Wichtigkeit. Sie gab mir die Möglichkeit, mich zu entfalten und zu entwickeln und somit meine Erkenntnisfähigkeit zu stärken. Dies ist aus meiner Sicht unerlässlich, wenn man als Berater arbeiten will, ist man doch in jedem Fall Teil eines Settings. Nur wenn ich als Berater ganzheitlich bin, bin ich auch fähig, ganzheitlich integrativ zu therapieren respektive mit dem Klienten in Beziehung zu treten (Maurer, 2002).
Ich stimme mit Frau Dr. Yvonne Mauerer zu 100 Prozent überein, wenn sie sagt: „Die Persönlichkeit des Therapeuten und seine Beziehungsfähigkeit zum Klienten sind ebenso bedeutende, wenn nicht sogar bedeutungsvollere Erfolgsgrössen als die Methode bzw. die Technik an sich“.
Auch wir Berater/Therapeuten sind nur Menschen. Wir sollten uns jedoch bewusst sein, dass eine disharmonische Entfaltung unserer verschiedenen Lebensdimensionen unseren Blick deutlich trüben kann. Wenn wir nicht fähig sind, mit unseren Wachstums- und Veränderungsprozessen konstruktiv umzugehen, wie können wir dann beratend/therapeutisch für Andere da sein?
Quellenverzeichnis:
- Yvonne Maurer, Körperzentrierte Psychotherapie IKP, 2006
- Der ganzheitliche Ansatz in der Psychotherapie, 2006