Mein Jüngster geht nicht gerne in die Handarbeit. Ich kann es ihm nicht verübeln. Handarbeit war auch in meiner Kindheit das Nummer-1-Hassfach. Manchmal weiss ich nicht, ob’s am Fach liegt oder an den Lehrerinnen, die dieses Fach unterrichten. Bis auf eine einzige Ausnahme halte ich Handarbeitslehrerinnen nicht gerade für prickelnde und spannende Persönlichkeiten. Aber ich gebe zu, ich bin da aufgrund persönlicher Erfahrungen voreingenommen.
Erschwerend hinzu kam, dass ich handarbeits-technisch mit Null Talent gesegnet bin. Mehr als einen Knopf anzunähen oder ein kleines Stoffloch zu flicken, krieg ich auch heute nicht auf die Reihe. Ich kann’s nicht und ich will’s auch gar nicht können. Dass wir in unmittelbarer Nachbarschaft ein Nähatelier haben, finde ich eine ganz wunderbare Sache. Meine beiden Jungs gehen mit ihrer Kleidung nicht gerade zimperlich um und es gibt regelmässig das eine oder andere zu nähen.
Rückwirkend kann ich sagen: meine Handarbeitslehrerin war wirklich zu bedauern mit uns als Klasse. Um es genau zu sagen: mit uns Mädchen. Die Jungs hatten damals Werken, und zwar getrennt von den Mädchen Wir haben sie mit unserer lauten Art überfordert. Oder wir waren als Schüler überfordert mit ihr. So genau lässt sich das nicht mehr rekonstruieren.
Gegen Ende der fünften Klasse kam es zu einem ziemlich üblen Vorfall. Der Lärmpegel war furchtbar hoch und die Lehrerin hat in ihrer Verzweiflung eine Strumpfkugel genommen und sie quer durchs Klassenzimmer geworfen. Das Teil flog knapp am Kopf meiner lieben Schwester vorbei. Im Affekt hat diese die Strumpfkugel aufgelesen und zurückgeworfen. Gott sei Dank waren die beiden Beteiligten keine guten Schützen. In der sechsten Klasse bekamen wir dann eine neue Handarbeitslehrerin. Spass am Fach hatte ich immer noch keinen, aber es war bei Weitem nicht mehr so schrecklich, wie mit der ersten Lehrerin.
Im Sinne der Gleichberechtigung haben Jungs und Mädchen heutzutage zusammen Handarbeit. Und sorry, ich kann sehr gut verstehen, dass nicht jeder Junge darüber gleich viel Begeisterung an den Tag legen kann. Stricken und Häkeln sind nun wirklich keine typisch männlichen Tätigkeiten. Ab der vierten Primarschulklasse wird die Handarbeit umbenannt und nennt sich dann Werken. Mein älterer Sohn lernt dort jetzt, wie man die Nähmaschine bedienen muss. Mich verwirrt dieses System etwas.
Ich persönlich kenne übrigens keinen Mann, der sich selber Socken strickt oder einen Schal häkelt. Männer und Stricken passen für mich irgendwie einfach nicht zusammen. Ich finde die Vorstellung ziemlich unsexy und so gar nicht männlich.
Natürlich gibt es solche Exemplare, und wenn ich einen meiner männlichen Leser damit beleidigt haben sollte, dann möge man mir an dieser Stelle verzeihen und mich eines Besseren belehren.
Zurück zu meinem Sohn und „seiner“ Handarbeit. Es verwundert daher nicht, dass er hie und da mit einer Strafaufgabe nach Hause kam. Wegen schwatzen und reinreden, sagt mein Sohn. Und er sei nicht der Einzige. Jetzt bringt mein Sohn aber die vierte Strafaufgabe in Folge nach Hause. Das geht natürlich gar nicht, finde ich. Schon bei der Dritten dachte ich, dass sich wohl demnächst jemand bei mir melden wird. Aber nix da. Und es ist jedes Mal dieselbe Aufgabe. Er muss fünf Sätze schreiben zu „Was ist mir heute gut gelungen?“ und „Was möchte ich morgen besser machen/ändern.“
In meinen Augen gibt es sinnlosere Strafaufgaben als diese. Generell bin ich kein Freund von Strafaufgaben und in meinen Augen machen sie nur dann Sinn, wenn sie direkt mit dem Vergehen zu tun haben. Hingegen macht es keinen Sinn, wenn man dieselbe Strafaufgabe vier Mal aufgibt und es erwiesenermassen keinen Effekt auf das Verhalten des Kindes hat. Ich vermute vielmehr, dass in diesem Fall die Strafaufgaben aus Hilflosigkeit oder Überforderung verteilt werden. Vielleicht mag sie meinen Sohn auch nicht – das kann vorkommen, wäre aber unschön.
Wie gesagt, ich fand Handarbeit auch nicht spannend, aber heute bin ich als Mutter in einer anderen Situation. Natürlich habe ich mit meinem Sohn darüber gesprochen, dass es nicht in Ordnung ist, wenn er mit seiner Schwatzerei den Unterricht stört. Strafen will ich nicht, denn das wäre in diesem Fall doppelt sinnlos.
Zu Beginn dieses Blogs habe ich geschrieben, dass ich Handarbeitslehrerinnen nicht gerade für prickelnde und spannende Persönlichkeiten halte. Vielleicht liegt genau hier die Krux vergraben. Wer übt schon langfristig gerne einen Beruf aus, der auf so wenig Wertschätzung stösst? Ich stelle mir das recht unbefriedigend und frustrierend vor.
Dabei unterrichten sie eigentlich ein Fach, wo die Kreativität der Kinder noch richtig zum Zug kommen kann. Oder könnte. Aber eben, Theorie und Praxis sind nicht immer dasselbe.
Fakt ist – irgendwas läuft nicht richtig. Ich könnte es ignorieren, denn es gibt weitaus Schlimmeres, aber es erscheint mir nicht der richtige Weg. Ich habe mich nun entschieden, mal Mäuschen zu spielen und den Handarbeitsunterricht meines Sohnes zu besuchen. Bei einer Freundin von mir hatte dieses Vorgehen eine sehr positive Wirkung.
Vielleicht braucht es ja lediglich etwas Wertschätzung. Wie so oft im Leben.
Kennt ihr diese Problematik auch? Wie verhaltet ihr euch in einer solchen Situation? Freue mich auf Ideen und Feedback.
Jungs in die Handarbeit?
Als freiwilliges Angebot zur Wahl ok. Aber Handarbeit verpflichtend?
Fazit: Parallelkurs Handwerk im Sinne von Bauen, mit Hammer und Nagel. Oder Gartenarbeit. Das mögen auch Mädchen. Nur die Frage, welcher Kurs wohl die meisten Schüler (Teinehmer) erreicht?
So muss Schule.
Schönen Sonntag noch!!
Jürgen aus Loy (PJP)
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