Wendepunkt: Generation „Zeit der Wahrheit“

Auf meinem Blog war es ziemlich ruhig in letzter Zeit. Das liegt daran, dass es in meinem Leben grad alles andere als ruhig und gelassen zu und her geht.

Schreiben ist für mich Leidenschaft. Und Freude. Oft ist es ein Ausgleich zum Alltag. Oder wie man auch sagen kann: Schreiben ist für mich eine Ressource. Eine Kraftquelle – etwas, das mir gut tut und mich innerlich bereichert. Ich sollte es also nicht vernachlässigen. Gerade jetzt nicht.

In letzter Zeit ist mein Leben etwas ins Wanken geraten. Der Tod meines geliebten Vaters vor 1.5 Jahren, die Belastung mit meiner schwer kranken Mutter. Alles nicht einfach.

Zudem bin ich mit meinem 45 Jahren an einem Punkt im Leben, wo ich manchmal nicht weiss, ob ich schon in den Wechseljahren stecke oder nicht. Was ich aber mit Bestimmtheit weiss: die erste Lebenshälfte liegt schon hinter mir. Einerseits bin ich stolz auf das, was ich alles bereits geschafft habe andererseits liegt noch eine Menge vor mir.

Ob es an meinem Alter oder an den Lebensumständen liegt, weiss ich nicht, aber es stehen Veränderungen an. Vermutlich ist es aber so, dass beides unweigerlich zusammenhängt.

Ich gehöre jetzt zur Generation mit betagten Eltern oder einem betagten Elternteil.

Bald gehöre ich zur Generation ohne lebende Eltern. Der Lauf des Lebens. Anfang und Ende. Geburt und Tod.

Ich gehöre zur Generation, die bald in die Wechseljahre kommt oder bereits am Anfang ist.

Ich gehöre zur Generation, die nicht mehr so einfach einen neuen Job findet.

Ich gehöre zur Generation mit Kindern, die am Anfang oder schon mitten in der Pubertät sind.

Da kommt emotional ganz schön viel zusammen, das kann ich euch sagen. Welten, die aufeinanderprallen. Fehlt eigentlich nur noch der Partner in der sogenannten Midlife-Crises. Eine höchst explosive Mischung.

Ganz ehrlich? Mein Timing bei der Familienplanung war miserabel. Aber mit dreissig denkt man noch nicht so weit voraus, da lebt man noch mehr für den Augenblick.

Das Leben verläuft nicht gleichförmig. Es ist gekennzeichnet durch stetige Veränderung. Manchmal erwartet man sie und kann sich vorbereiten, oft kommen die Veränderungen aber ganz unerwartet. Mal sind sie gewünscht, mal total unpassend.

Die Phase, in der ich mich gerade befinde ist übrigens typisch, wenn man mit Stufen der Entwicklungspsychologie betrachtet. Mit 45 Jahren befindet man sich in der Phase des späteren Erwachsenenalters (42-62 Jahre). Zwischen 42 bis 49 Jahre sollten die Samen (Lebenserfahrungen) langsam Früchte tragen. Diese Phase kann man auch als Zeit der Wahrheit bezeichnen.

Bildlich gesprochen sind meine geistigen Früchte noch nicht reif. So betrachtet, habe ich noch ein paar Jährchen, bis meine Seele gestärkt ist und mein Geist genügend Nahrung bekommen hat, um in die nächste Phase der Schönheit (49 – 56 Jahre) zu gelangen.

Die Phase der Schönheit – klingt wie Musik in meinen Ohren. Leise noch, aber doch hoffnungsvoll und wunderbar.

Der dritte Lebensabschnitt ist ebenfalls die Zeit, in welcher der Körper an Kraft verliert. Eine Tatsache, die mir ganz und gar nicht gefällt. Hier verhält es sich mit der Metapher der reifen Früchte leider komplett gegenteilig. Naja, es gibt Wenige, die behaupten, das Leben sei nur fair.

Natürlich kann das Ganze zeitlich variieren, wenn ich jedoch mein privates und berufliches Umfeld beobachte, stelle ich fest, dass plus/minus im Alter von 42 Jahren für viele Menschen ein Wendepunkt kommt. Wenn ich diese Phase beschreiben muss, komme ich nicht umhin, zu sagen, dass ich zwischendurch in meinen Grundfesten richtiggehend erschüttert werde. Ein Gefühl, das ich bis anhin so nicht kannte. Und auch meine erlernten Methoden und Techniken, die mir im Leben schon so oft geholfen haben, wollen in solchen Momenten nicht recht greifen.

Ich kenne einige, die im gleichen Alter sind wie ich und sagen, dass sie sich überhaupt nicht so alt fühlen, wie sie tatsächlich sind. Leider kann ich das im Moment von mir nicht behaupten, denn früher hatte ich keine so existenzielle Krisen, wie ich sie in dieser Lebensphase erlebe.

Oft schliesse ich meine Texte mit einem positiven Kommentar ab. So im Sinne von „Kommt Zeit, kommt Rat“ oder „auch das geht vorbei“. Ja, das wird es, und ich weiss das auch. Aber wenn man mittendrin steckt, ist es oft ziemlich mühsam und anstrengend. Da helfen keine gut gemeinten Ratschläge, da muss man durch, ob man will oder nicht. Und ich will.

Kennt ihr sie auch, diese Lebensphase? Wie geht ihr damit um? Ich hoffe und freue mich auf einen angeregten Austausch.

Verfasst von

Ich stehe mitten im Leben und schreibe darüber. Über das Leben mit all seinen Facetten. Mal bunt, mal düster, mal witzig, mal ernst. So, wie das Leben eben ist. Immer in Bewegung. Sowohl privat (Mutter von drei Kindern 9, 10 & 12 Jahre alt) als auch beruflich interessiere ich mich für Psychologie - ich bin diplomierte Einzel-, Paar- und Familienberaterin. Schreiben ist nicht einfach ein Hobby - es ist Leidenschaft.

6 Kommentare zu „Wendepunkt: Generation „Zeit der Wahrheit“

  1. Hallo Franziska.
    Schön mal wieder etwas von dir zu lesen.
    Ich werde erst nächstes Jahr 40. Aber die Zeit des Umbruchs ist auch in mir. Vielleicht liegt es daran das meine Jungs langsam flügge werden. Auf jeden Fall höre ich meine innere Uhr ticken. Ich möchte mich im nächsten Jahr beruflich verändern und hoffe natürlich das es auch klappt. Es wird natürlich anstrengend für alle, aber es ist noch lange hin bis zur Rente.
    Auf jeden Fall kann ich dich verstehen.
    LG, Nati

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  2. Wenn die Kinder, wie du es nennst, flügge werden, ist das in der Regel mit Veränderung verbunden. Loslassen und oft Neuorientierung. Ich kenne viele Frauen in unserem Alter, die darüber nachdenken, sich beruflich neu zu orientieren. Das war sicher mit ein Grund, warum ich die Ausbildung zur Paar- und Familienberaterin absolviert habe. Ich wünsche dir alles Gute dabei und hoffe, du findest das Passende für dich.

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  3. Salü Franziska,
    Sehr guter Blog!
    Meine Wahrnehmungen sind sehr ähnlich, auch wenn mein Leben ganz anders ist: 60 Jahren alt, Vater geworden mit 25 – 30, mehr oder weniger immer die gleiche Arbeit, werde in einigen Jahren wahrscheinlich frühzeitig in die Rente „geschickt „, Eltern früh verloren, dafür betagte Schwiegereltern, männlich.
    Tschüss.

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  4. Ja, es beginnt irgendwann so mit fünfzig (so zumindest bei mir) und wird von Jahr zu Jahr stärker. Das Gefühl der „gemischten Gefühle“
    Mein Vater ist schon lange tot, ich bin jetzt in dem Alter, als er starb, in dem Alter, als er gesagt hat, er hört mit arbeiten auf, um noch etwas von seinem Leben zu haben. Nicht viel, nur Spaziergänge, seine Malerei. Ich bin noch voll in der „Tretmühle“, das Umfeld hat sich verändert. Manchmal lächle ich nur über den Stress, den „die Jungen“ verbreiten, dann wieder muss ich schauen, dass ich nicht untergehe.
    Alles in Allem werde ich ruhiger, halte aber bei vielem nicht mehr meinen Mund. Bin mutiger geworden. Andere sagen, ich sei wütender geworden. Stimmt nicht, ich sag jetzt, was ich denke. Oft zumindest.
    Gute Freunde, die älter sind als ich, sind weniger geworden. Die Verwandschaft „dünnt aus“. Vielleicht auch eine Chance, selber mal zu tun, was man möchte.
    Auf jeden Fall noch einiges erleben. Nicht mehr auf der „Komasauf“ Basis. Eher mit offenen und staunenden Augen durch die Welt gehen. Dinge nicht über zu bewerten, aber auch nicht alles durch eine rosa Brille sehen.
    Ich bin ein Kind der 1960er und 1970er Jahre und habe somit einen etwas anderen Blickwinkel als viele. Und den möchte ich nutzen, um Dinge von einer anderen Warte zu sehen. Und auch mit denen zu reden, die es interessiert. Und von den anderen ihre Einstellung lernen – sofern sie eine haben, die sie vertreten und argumentieren können.

    Viele Grüsse
    Jörg

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