Chaos: Warum Unordnung auch ihre guten Seiten hat

Liebe Ordnungsfanatiker, leider habe ich schlechte Nachrichten. Eine Studie der Psychologin Kathleen Vohs von der University of Minnesota hat nämlich zutage gebracht, dass Menschen, die in einem Raum arbeiten, in dem Bücher und Papiere willkürlich verstreut waren, kreativer und Neuem gegenüber aufgeschlossener sind als Menschen, die in einem aufgeräumten Raum arbeiten.

Unter dem Aspekt des Brainstormings, wo man seine Gedanken zu einem Thema ungefiltert, spontan und oft unstrukturiert zu Papier bringen kann, ergibt diese Erkenntnis für mich durchaus Sinn.

Denn im Chaos prallen Informationen und Ideen aufeinander, die auf den ersten Blick (vielleicht) nicht zusammengehören. Das vermeintliche Chaos kann so zu neuen Erkenntnissen verhelfen.

Ich bin ein ordentlicher Mensch. Zumindest hinterlässt meine Wohnung den Besuchern diesen Eindruck. Doch der Schein trügt.

Alleine schon die Tatsache, wie ich den Geschirrspüler einräume, ist ein klares Zeichen meiner Tendenz zur Unordnung. Und mein Kleiderschrank lässt jeden Ordnungsfanatiker im Schockzustand erstarren.

Dreimal jährlich oder spätestens dann, wenn ich ein gewünschtes Kleidungsstück nicht mehr finden kann, reisse ich alle Klamotten aus dem Schrank und falte sie neu zusammen. Klamotten, die ich seit drei Jahren nicht mehr getragen habe, werden aussortiert und in die Kleidersammlung gebracht oder auf dem Flohmarkt verkauft. Oft finde ich Kleidungsstücke, von deren Existenz ich gar nichts mehr wusste. Das ist wie einkaufen, nur sehr viel preiswerter.

Auch mein Arbeitsbereich ist nicht besonders ordentlich. Weniger als mir eigentlich lieb wäre und trotzdem ist es gut so.

Ich sehe sowohl in der Ordnung, als auch in der Unordnung Vorteile. Natürlich ist es wunderschön, ein ordentliches Heim zu haben. Aber im Gegenzug dazu braucht es verdammt viel Aufwand, um diesen Zustand der Ordnung aufrecht zu erhalten. Gerade wer Kinder hat, kann ein Lied davon singen.

Als dreifache Mutter bin ich früher fast durchgedreht, wenn das Wohnzimmer wie die kleine und sehr böse Schwester des Kinderzimmers aussah.

Überall lagen Dinge auf dem Boden rum – Bauklötze, Legobausteine, Puppenkleider…etc. –  eine schier nicht endend wollende Auflistung an Dingen, die Kinder einfach mal so rumliegen lassen. Wer Kinder hat, weiss wovon ich spreche.

Und doch liegt exakt in dieser Tatsache eine meiner wichtigsten Erkenntnisse bezüglich Ordnung und Unordnung. Denn was nützt einem Kind das schönste, aufgeräumteste Kinderzimmer, wenn es die ordentlich verstauten Spielsachen nicht benutzen kann, weil sie schön säuberlich und geordnet versorgt sind? Wenn keine Freunde nach Hause kommen dürfen, weil sich dann das Chaos im Nu verdoppelt, wenn nicht sogar verdreifacht? Oder wenn das Kind vergisst, dass in der praktischen Schachtel, die ordentlich im Regal verstaut ist, eine ganze Brio Holzeisenbahn rumliegt?

Früher habe ich meine Kinder täglich aufgefordert, gemeinsam mit mir ihr Zimmer aufzuräumen. Diese Zeiten gehören Gott sei Dank schon seit längerem der Vergangenheit an. Heute müssen sie ihr Zimmer nur noch zwei Mal pro Woche aufräumen, und zwar ohne meine Hilfe.

Und zu meinem Arbeitsbereich: Natürlich könnte ich Papier und Zeitschriften nach Kategorien einsortieren. Mit einem entsprechend hohen Zeitaufwand. Doch bei mir liegt immer das Aktuellste obendrauf. Ich habe herausgefunden, dass ich so alles benötigte schneller zur Hand habe und ich somit um einiges effizienter arbeiten kann. Und ich stosse immer wieder auf neue Ideen – für Blogbeiträge wie diesen oder für neue Projekte.  Das Ganze hat zudem den netten „Nebeneffekt“, dass es mich glücklich macht.

Ein weiterer Vorteil: wenn ich etwas erledigt habe und/oder es mir nicht mehr nützlich ist, dann trenne ich mich davon.

Auch das macht mich glücklich, denn sich von unnötigem Ballast zu verabschieden, ist befreiend.

Damit keine Missverständnisse entstehen: Die Rede ist hier von Papierstapeln, die nicht übertrieben hoch und durchaus noch übersichtlich sind. Nur nicht übertreiben, sonst besteht die Gefahr, dass man eines Tages im Chaos zu versinken droht. Und aus eigener Erfahrung weiss ich, dass dies weitreichende Folgen haben kann.

Zu Aufbewahrungssystemen habe ich ein zwiespältiges Verhältnis. Einerseits sind sie praktisch und ordnungstechnisch oft auch sinnvoll.

Doch oft sind Aufbewahrungssysteme und Behältnisse nur dazu da, um unnütze  Dinge über einen viel zu langen Zeitraum aufzubewahren.

Dinge, die man nicht wirklich zum Leben benötigt. Diese Behältnisse im Schrank, wo beispielsweise hunderte von Kabeln aufbewahrt werden, von denen man vielleicht gerade mal fünf Stück gut gebrauchen kann, sind so betrachtet auch bloss Gerümpel. Mit dem Unterschied, dass man diese Art von Kram nicht auf den ersten Blick als solchen erkennen kann.

Versteht mich nicht falsch, ich plädiere nicht dafür, unordentlich zu sein, alles rumliegen zu lassen und die ordentlichen Strukturen an den Nagel zu hängen. Wenn ich mir vorstelle, wie oft ich sonst nach meinen diversen Schlüsseln suchen müsste – das wäre ganz schön mühsam und zeitraubend. Die verstau‘ ich schön ordentlich immer exakt am gleichen Ort. Ordnung macht in diesem Fall mehr als nur Sinn.

Wenn ich aber an die zu Anfang dieses Blogbeitrags erwähnte Studie denke, bin ich trotzdem überzeugt: Ein bisschen Unordnung schadet überhaupt nicht. Kreatives Chaos zur Erweiterung des eigenen Horizonts.

Ein bisschen Chaos schadet nie? Wie denkst du darüber? Was für ein Typ bist du? Ordentlich oder unordentlich?

Textquelle: Psychologie Heute, Februar 2017, Schon in Ordnung!

Bildquelle: http://www.pixabay.com

 

Verfasst von

Ich stehe mitten im Leben und schreibe darüber. Über das Leben mit all seinen Facetten. Mal bunt, mal düster, mal witzig, mal ernst. So, wie das Leben eben ist. Immer in Bewegung. Sowohl privat (Mutter von drei Kindern 9, 10 & 12 Jahre alt) als auch beruflich interessiere ich mich für Psychologie - ich bin diplomierte Einzel-, Paar- und Familienberaterin. Schreiben ist nicht einfach ein Hobby - es ist Leidenschaft.

4 Kommentare zu „Chaos: Warum Unordnung auch ihre guten Seiten hat

  1. Ich versuche, Ordnung zu haben. Ich finde das besser, weil ich sonst die Sachen nicht mehr finden würde. Und eine Unordnung ist weniger schön.

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  2. Hallo Franziska. Ich könnte mir nicht vorstellen irgendwo Unordnung zu haben. Das würde mich wahnsinnig machen. Selbst mit zwei Kindern hat alles immer seinen festen Platz. Klingt vielleicht komisch, aber selbst meine schon fast großen Jungs finden es besser alles an ihren Platz zu wissen. So hat man Zeit für die wichtigen Sachen im Leben und den Kopf frei. Liebe Grüße, Nati

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  3. Liebe Nati, Ordnung hat mit Sicherheit auch ihre berechtigten Vorteile. Man verbringt definitiv weniger Zeit damit, Dinge zu suchen. Vielen Dank für deinen Kommentar. Liebe Grüsse, Franziska

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