Gewaltfreie Kommunikation (GFK) – von Giraffen und Wölfen

Ein Mann kommt erschöpft von der Arbeit nach Hause. Er möchte sich einfach nur noch entspannen. Den Abend geniessen. Vielleicht ein Feierabend Bierchen im Garten trinken. Mit seiner Frau. Er freut sich darauf, sie gleich in seine Arme schliessen zu können. Müde, aber zufrieden öffnet er die Wohnungstür…

Das ist DER Moment, auf den sie den ganzen Tag gewartet hat. Weil der Depp nämlich schon wieder seine verdammte Schmutzwäsche auf dem Boden hat rumliegen lassen. Anstatt wie verlangt, in den dafür vorgesehen Wäschekorb zu schmeissen. Obwohl sie ihm schon gefühlt hundert Mal gesagt hat, wie sehr sie das stört. Aber nein, anscheinend will er’s einfach nicht kapieren. Gemütlich im Garten sitzen und ein Glas Wein trinken? Von wegen. Der kann ihr mal den Buckel runter rutschen. Das kann er. Sie hat die Schnauze gestrichen voll von seinem nicht vorhandenen Ordnungssinn.

Er tritt in die Wohnung und freut sich, weil sie anscheinend auf ihn gewartet hat. Sie steht im Flur und schaut ihn an. Nicht freudestrahlend, wie er bemerkt. Er ist irritiert. Ihr Blick ist wuterfüllt.

Es folgt ein Donnerwetter:

„Immer lässt Du deine Klamotten auf dem Boden rumliegen, obwohl ich es dir schon hundert Mal gesagt habe. Anscheinend ist es dir scheissegal, wie es mir dabei geht. Du bist total chaotisch und rücksichtslos. Jede Sau hat einen besseren Ordnungssinn wie du. Würdest du mich wirklich lieben, würdest du dir mehr Mühe geben. Mach endlich was, sonst zieh’ ich aus, das ist mein voller Ernst.“

In diesen wenigen Sätzen ist alles vorhanden, was es braucht, damit ein gutes Gespräch erst gar nicht entstehen kann.

Das Gespräch könnte auch anders verlaufen. Etwas, das ich manchmal selbst anwende, ist die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) nach Marshall B. Rosenberg.

Die GFK ist keine Methode, sie ist ein Konzept – ein Lebenskonzept. Es soll den Menschen nämlich dabei helfen, so miteinander umzugehen, dass die Kommunikation langfristig zu mehr Vertrauen und Freude am Leben führt. Im Vordergrund steht eine wertschätzende Beziehung, die den Menschen zu mehr Kooperation und gemeinsamer Kreativität im Zusammenleben verhelfen soll. Denn nur wer seine Bedürfnisse und Gefühle kennt, kann diese auch offen und empathisch kommunizieren.

Es gibt sehr gute Videos mit Beispielen zur Anwendung der GFK. Marshall B. Rosenberg, benutzt zur visuellen Veranschaulichung gerne zwei Handpuppen – einen Wolf und eine Giraffe.

Die Wolfssprache

Das obere Beispiel ist ganz klar der „Wolfssprache“ zuzuordnen. Der Wolf weiss nämlich immer, was mit dem Anderen nicht stimmt und was dieser falsch macht. Er analysiert und klassifiziert in Eigenschaften wie beispielsweise in gut und böse oder gerecht und ungerecht oder wie im oberen Beispiel in ordentlich/unordentlich. Wölfe stehen nicht zu ihren Bedürfnissen und Gefühlen und suchen die Schuld immer beim Gegenüber. Wölfe bitten nicht, sie fordern. Wird eine Forderung abgelehnt, will der Wolf sein Gegenüber bestrafen. Er droht mit Sanktionen oder straft den Anderen, in dem er Angst und Schuldgefühle erzeugt. Zum Beispiel durch Schweigen oder weitere Vorwürfe. Er fühlt sich meistens im Recht und sucht sofort nach einem Schuldigen. Reagiert jemand ähnlich wie er, führt das beim Wolf dazu, dass er sich schlecht, angegriffen oder nicht respektiert fühlt. Dies wiederum hat zur Folge, dass der Wolf dann gleich wieder einen Gegenangriff lanciert. Wölfe befinden durch dieses Verhalten oft in einem emotionalen, geistigen und verbalen Krieg. Die Wolfssprache ist laut GFK ein missglückter Versuch, seine Bedürfnisse zu formulieren.

GFK kann man nicht aus dem Stegreif lernen und anwenden, man muss sie üben, immer und immer wieder. Die Gewaltfreie Kommunikation ist für mich beispielsweise dann gut anwendbar, wenn ich genügend Zeit habe, mich auf ein Gespräch vorzubereiten. Im Alltag gibt es jedoch immer wieder Situationen, wo man nicht „optimal“, eben wölfisch, reagiert. Das ist menschlich und durchaus nachvollziehbar. Die Gefühle lassen sich nun mal nicht immer mit dem Verstand kontrollieren.

Wie würde denn nun bei einer Giraffe die oben beschriebene Situation ablaufen? Nach GFK könnte dieses Gespräch beispielsweise so verlaufen:

1. Beobachten, nicht bewerten

„Schatz, du hast heute Morgen deine schmutzigen Socken auf dem Boden liegen gelassen.“

2. Gefühl beschreiben (keine Anschuldigungen)

„Ich fühle mich unwohl, wenn schmutzige Wäsche auf dem Boden rumliegt.“

3. Bedürfnis äussern (aus welchem Bedürfnis heraus, ist diese Gefühl (Unwohlsein) entstanden

„Ich habe es gerne aufgeräumt, um mich wohl zu fühlen.“ (Bedürfnis nach Ordnung)

4. Bitte/Wunsch (beschreibend)

„Darf ich dich bitten, deine schmutzigen Kleider direkt in den Wäschekorb zu legen?“

Die Giraffensprache

Wenn jemand in dieser Art und Weise mit einem spricht, dann spricht er die Sprache der Giraffen. Im Gegensatz zur „Wolfssprache“ spricht und hört die Giraffe mit dem Herzen. Sie achtet auf ihre Bedürfnisse und die damit verbundenen Gefühle. Die Giraffe achtet nicht nur auf sich, sondern versucht ebenfalls, die Bedürfnisse und Gefühle des Gegenübers herauszufinden und darauf einzugehen. Sie bittet und wünscht, statt zu fordern oder gar zu drohen. Eine Giraffe sagt, was sie beobachtet, ohne dies zu bewerten. Die Giraffe verfügt über die Gabe, Vorwürfe, Kritik oder Beleidigungen nicht persönlich zu nehmen, Eine Giraffe versucht sogar, solche Gegebenheiten in Gefühle und unerfüllte Bedürfnisse zu „übersetzen“. Beim Nachfragen ist die Giraffe einfühlsam und empathisch.

Bedürfnis oder Gefühl

Es ist gar nicht so einfach, herauszufinden, welches Bedürfnis sich hinter einem Gefühl versteckt. Ganz zu schweigen von der Differenzierung zwischen Gefühl und Bedürfnis. Zum Beispiel die „Liebe“. Ist sie ein Gefühl oder ein Bedürfnis? Auf „Youtube“ gibt es dazu ein sehr interessantes Video. Wenn euch das Thema interessiert – unbedingt reinschauen, es lohnt sich https://www.youtube.com/watch?v=T0cdFOflTeA

Wolf und Giraffe. Beides sind Teile von mir. Im privaten mehr Wolf, beruflich mehr Giraffe. Beide Teile gehören zu mir. Es geht nicht darum, sich für eines von Beidem zu entscheiden. In jedem Wolf steckt eine Giraffe und umgekehrt. Manchmal muss man situativ entscheiden. Aber es ist gut, sich dieser beiden Anteile bewusst zu sein und bei Bedarf frei wählen zu können.

GFK Weekend Wunsch

Meine Lieben, es ist Freitag. Für Viele steht das Wochenende vor der Tür. Geniesst es, wenn es die Situation zulässt. So oft ihr könnt. So lange, wie ihr könnt.

Es macht mich glücklich, dass ihr diesen Text zu Ende gelesen habt. Bitte teilt, liked und kommentiert das Ganze. Das wiederum stillt nämlich mein Bedürfnis nach Anerkennung und Wertschätzung 🙂

Eure Franziska

Quelle: Gewaltfreie Kommunikation, Eine Sprache des Lebens (Marshall B. Rosenberg, 2007)

Verfasst von

Ich stehe mitten im Leben und schreibe darüber. Über das Leben mit all seinen Facetten. Mal bunt, mal düster, mal witzig, mal ernst. So, wie das Leben eben ist. Immer in Bewegung. Sowohl privat (Mutter von drei Kindern 9, 10 & 12 Jahre alt) als auch beruflich interessiere ich mich für Psychologie - ich bin diplomierte Einzel-, Paar- und Familienberaterin. Schreiben ist nicht einfach ein Hobby - es ist Leidenschaft.

20 Kommentare zu „Gewaltfreie Kommunikation (GFK) – von Giraffen und Wölfen

  1. Interessant. Mein erster Gedanke… Mein Vierjähriger schaltet bei Wolf sofort auf stur, und das geht bestimmt nicht nur einem Kind so.
    Die Giraffe allerdings muss trotz aller Sanftheit imstande sein, ihre Bedürfnisse konsequent durchzusetzen, ohne ausgenutzt zu werden. Wenn ich also meinen Vierjährigen durch eine Frage auffordere: „würdest du bitte deine Schuhe ins Regal stellen?“, denkt der sich doch nur: “ Nö, keine Lust.“
    Ich denke, manchmal oder sogar meistens macht es die richtige Mischung. Freundliches Fordern sozusagen.

    Ein sehr weiser Mann sagte mir kürzlich „Die Nefs (ein arabischer Begriff, ich übersetze das mal mit Ego) kniet nur vor der Liebe nieder.“

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  2. GFK funktioniert auch bei Kindern. Reden und streiten, ohne zu verletzen. Ein respektvollen Miteinander. Lernen, Grenzen auszudrücken, ohne zu drohen (Theorie nicht immer umsetzbar) und das Kind zu bewerten. Aber klar, manchmal muss man als Eltern auch einfach mal den „Chef“ markieren. Aber auch das geht auf respektvolle Art und Weise. Und auch, wenn man mal laut und wölfisch wird, bin ich überzeugt, dass ein Kind keinen Schaden davon trägt. Es sollte einfach die Ausnahme bleiben.

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  3. Ich habe den Dreh bei meinem Sohn inzwischen raus. Bei ihm kommt man wirklich nur ohne den Wolf weiter. Und das ist dann eben die Kunst, dabei nicht über den Tisch gezogen zu werden 😉

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  4. Ich werde mehr darüber lesen ☺ ich glaube diese Kommunikationsweise verbessert die Beziehungsebene, was wiederum die Sachebene besser verständlich macht. ☺

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  5. Die konfliktfreie (re) Kommunikation würde ich begrüßen, jedoch mit meinem Temperament… bin und bleibe ich leider immer ein „Wolf“ – zumal ich’s leider nie anders gelernt habe. Ein schöner Beitrag, der zum Nachdenken anregt.

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  6. Das würde ich jetzt hinterher auch sagen. Damals kannte ich noch nichts von GfK. Hatte nur mal ne Radiosendung gehört mit eintsprechender Vortragsempfehlung. Das war dann ganz unpathetisch.

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  7. Liebe Franziska,

    das hast du sehr schön geschrieben und beschrieben. Ganz toll finde ich den Ausspruch das beide Sprachen (Giraffe und Wolf) in uns sind und wir sie leben. Und dass das OK ist. Auch ich liebe die GFK und bin immer wieder fasziniert wie sie wirkt. Kleine Wunder sind damit möglich.

    Mit sonnigen Grüßen
    Jana

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